Beitrag zur Reihe „Kunstpraxis: Über Kunst sprechen“ von Simone Demandt, Baden-Baden
Aus meinen langjährigen Erfahrungen in der Hochschullehre (seit 1996), als Kuratorin von Ausstellungen (seit 1994) und in der Vermittlung meiner eigenen künstlerischen Arbeit als Fotokünstlerin haben sich für mich Bedingungen und Voraussetzungen für die Vermittlung der eigenen wie der Arbeit von Kollegen und Kolleginnen herauskristallisiert. Meine künstlerische Intention muss ich für meine Fotokunstprojekte oftmals Laien vermitteln (um z.B. an einem bestimmten Ort fotografieren zu können) und dem zu gewinnenden Verständnis meines Gesprächspartners für ein noch nicht sichtbares Ergebnis liegt ein anderes Sprechen über die eigene Kunst zu Grunde, als als Kuratorin. Als Kuratorin ist mein Ziel, meine Vorstellung von der Gestalt der zukünftigen Ausstellung mit der der ausstellenden Künstler*innen in engem diskursiven Austausch mit ihnen konstruktiv zu verbinden.
Und in der Hochschullehre lasse ich mich auf Vorkenntnisse, künstlerische Impulse und Vorhaben der Studierenden ein und erspüre das Vermögen der Studierenden, Anregungen und Kritik anzunehmen und in die Arbeit einfließen zu lassen. Daraus resultiert die Form und Methode der Lehre.
Die Selbstvermittlung:
1.) Für eine gute Vermittlung der eigenen Arbeit ist aktuelle emotionale Verfassung wichtig:
Angst vor dem Urteil des/der anderen Person (besonders gegenüber Kuratoren), Scham, Selbstzweifel, Erwartungsdruck sind zwar ständige Begleiter, aber wenig hilfreich.
Positiv wirkt sich die Erinnerung an das Gefühl während der Herstellung der Arbeit aus: was war/ist mir wichtig, warum habe ich mich entschlossen, es so zu machen, und nicht anders zu handeln. Die Rolle der Kunst für den Künstler ist in ihrer Unbedingtheit für das gegenüber, z. B. den Kurator oder den Laien meist nicht nachvollziehbar. Der Kurator will aber nicht in diesen emotionalen Zusammenhang hineingezogen werden.
Aber die eigene Arbeit muss gegebenenfalls verteidigt werden.
Hilfreich ist auch der Aspekt, sich zu vergewissern, dass die Arbeit in erster Linie für die eigenen Augen hergestellt wurde, nicht vorrangig für die der Anderen.
2.) Kann das Gespräch über die technische Beschaffenheit eine Brücke zum Gegenüber sein?
Bedingt, da dadurch die Arbeit eine Reduktion erfahren kann.
Die Gefahr ist auch, dass man in der Herstellungs-Schleife hängen bleibt.
Für den Betrachter, den Laien ist das allerdings ein Zugang. Für Kuratoren weniger. Von dieser Seite sollten Fragen kommen, wenn nicht, dann kann man in einer Erzählung über zukünftige Projekte Techniken einflechten.
3.) Meisterschaften, Meisterklassen beeinflussen das Gegenüber in den meistern Fällen:
Sie garantieren dem anderen, dass eine vorangegangenen Beurteilung die Arbeit für zumindest gut befunden hat. Die Kritik des Betrachters fällt oftmals milder aus. Aber auch hier gilt: Der Betrachter soll sich äußern, der / die Künstler*in ist lediglich Impulsgeber für das Gespräch.
4.) Wiedererkennbarkeit:
Natürlich ist es wunderbar, wenn eine Wiedererkennbarkeit der eigenen Kunst vorhanden ist und das Gegenüber Infos über einen als Künstler*in hat oder über einzelne Arbeiten. Hier kann dann wunderbar an die Weiterentwicklung angeknüpft werden, an Visionen und Pläne.
5.) Wie binde ich den Gesprächspartner ein?
Die Emotion befragen: „Was fühlen, denken Sie beim Anblick der Kunst?“
Die Verankerung im eigenen Leben des Betrachter erfahren: Welche Referenzen lassen sich im Leben des Betrachters abrufen?
Kuratoren sollten um Statements gefragt werden: „Wo und wie spricht Sie meine Arbeit an, wo oder durch was nicht? Wo sehen Sie meine Arbeit im Kunstbetrieb?“ Was fehlt Ihnen?
6.) Anpreisen z. B. gegenüber den Kuratoren ist nicht falsch:
Künstlerinnen tendieren dazu, ihre Arbeit weniger anzupreisen, da sie vermuten, dass ihre Arbeit sowieso rangniedriger wahrgenommen wird, wenigstens solange bis sie öffentlich anerkannt und sie Öffentlichkeit gefunden hat.
Anpreisen kann man auch, indem man Verwandtschaften zu Arbeiten anderer Künstler herstellt oder Kollegen in vergangenen und zukünftigen Gruppenausstellungen nennt, und damit einen inhaltlichen Raum öffnet und dem Kurator so eine „Bühne“ für sein Wissen und seine Urteilsvermögen gibt.
7.) Methoden der Selbstvermittlung:
* Periodische Informationen über Internet, Email, Post.
* Künstlergespräch (optimal sollte es moderiert sein).
* Die Ausstellungsführung.
* Videopräsentationen und Website im Internet, auf die verwiesen werden kann.
* Lesung aus eigenen Texten (oder lesen lassen).
* Anfragen von Statements bei – auch einem selbst unbekannten – Kuratoren.
* Anfragen bei Kuratoren für Textbeiträgen für Kataloge …
Die Gefahren sind: Zuviel sagen, zuviel preisgeben, sich kleiner machen als man ist. Selbstwert (Stolz) und Würde bewahren.
Die Vermittlung der Arbeit von Kollegen und Kolleginnen
Voraussetzung ist das ehrliche Interesse an der Arbeit der Kollegen und Kolleginnen, und dass die Arbeit anderer nicht als Vehikel für die Vermittlung der eigenen Arbeit benutzt werden sollte.
Im Prinzip gelten die Punkte für die Selbstvermittlung auch für die Vermittlung der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen.
Schwierigkeit: Eigene Krisen erschweren die Vermittlungsarbeit, denn Konkurrenzdenken, Neid und Selbstzweifel können ein Grundrauschen bilden, das den Zugang zur Arbeit anderer Künstlerinnen und Künstler erschwert und blockiert.
Vorbereitung:
a) Entspricht die Kunst, die ich weiter vermittle, meinen Vorstellungen, kommt mir meine Vorstellung (Vorlieben, Geschmack, handwerkliche Umsetzung, Konzeptidee) in die Quere? Kann ich über sie überhaupt sprechen?
b) Empfinde ich hinsichtlich der Arbeit meines Kollegen, meiner Kollegin Konkurrenz, die den Einsatz für sie negativ einfärben könnte?
c) Ehrlichkeit und notfalls Vermittlung ablehnen.
d) Zeit nehmen für die Kunst der Kollegen und Kolleginnen.
e) Wie ist die Kunst gemacht, warum und mit welchem Ziel.
f) Objektivierungsanstrengung: Sehen wie ein Nichtkünstler, wie jemand, der von Kunst gänzlich anderer Vorstellungen und an sie andere Erwartungen hat.
g) Kunstfremde Kriterien zulassen
h) Versuchen, den Generierungsprozesses nachzuvollziehen.
i) Gedanken der positiven Überraschung durch die Kunst anderer zulassen.
Als Vermittlerin sollte man über die zu vermittelnde Arbeit bis ins Detail Bescheid wissen.