Kunstversicherung – aus Sicht der Künstlerin

Dokumentation des Praxisberichts von Masami Hirohata, Teilnehmerin der Runde 6, Kunst-Mentoring
am 20.06.2020 im Rahmen der Reihe Recht und Ökonomie: Auf gute Zusammenarbeit!

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Checkliste vor Ausstellungsteilnahme

• Vertrauenswürdigkeit – Ist es eine seriöse Veranstaltung?
Der erste entscheidende Punkt: kann man gesamten Ausstellungsaspekt ernst nehmen? Am besten sollte die Künster*in mit einem in der Kunst anerkannten Ausstellungspartner zusammenarbeiten, nicht nur organisatorisch, sondern auch im eventuellen unangenehmen Versicherungsfall.

• Kontaktperson, Ansprechpartner*in und Erreichbarkeit via Mail/Telefon
Nicht nur organisatorische Einzelheiten sollten klar vereinbart werden, sondern auch wer als Koordinationspartner*in eine Übersicht über die geplante Ausstellung hat. Falls ein Versicherungsfall eintritt, ist diese Person auch Ansprechpartner*in für die Abwicklung.

• Wie wird das Kunststück ausgestellt?
Aufhängung an der Wand, Objekt in einer geschützten Vitrine oder auf einem Podest, mit Acrylglaskasten oder ohne?
Ist es ein raumgreifende Installation? Gibt es ein sichtbares Zeichen (z. B.Tape auf dem Boden oder Hinweisschilder), das die Besucher*innen um Abstand bittet? Gibt es eine Aufsichtsperson oder eine Überwachungskamera? Solche Aspekte beugen mögliche Gefahren effektiv vor.
Als Aussteller*in: für die Versicherungsperspektive ist es wichtig zu gewährleisten, dass das Kunstwerk sicher ausgestellt ist, eine gute Aufhängung, stabile Standfestigkeit hat.

• Ausstellungsort
Es gibt heute verschiedene Kunstausstellungsräume:
– Museum, Kunsthaus, Galerie sind klassische Orte, die ständig Erfahrung im Umgang mit Kunstwerken und Künstler*innen haben und geeignete Maßnahmen kennen.
– Eine Kunstmesse oder ein Festival sind temporäre Veranstaltungen, die meistens intensive Besucherströme erwarten. Der Ausstellungsraum ist dafür meistens eigens angemietet.
– Ein öffentlicher Raum kann sowohl innen als auch außen für Ausstellung oder auch für per-formative Kunstaktionen genutzt werden. Heute sind sogenannte Offspaces zunehmend beliebte Ausstellungsräume. Es kann ein kunstfremder Ort sein. In diesem Fall ist es wichtig zu prüfen, wie viele Jahre der Raum für Kunstzwecke besteht, auch in welcher Form er aktiviert wurde, sowie: wer betreibt den Raum / wer ist die Rauminhaber*in? Für die Versicherung ist das Kriterium „Erfahrung“ sehr wichtig. Die Künstler*in sollte sich vorher gut informieren und mit diesen Informationen aktiv umgehen.
– Wenn die Ausstellung im Ausland stattfindet, ist besonders auf Teilnahmebedingungen und Versicherungsregelungen zu achten. Dabei ist die Entfernung und die tatsächliche Erreichbarkeit der Partner*innen vor Ort ein Kriterium, außerdem kann die Kommunikation auf der sprachlichen und auch auf der inhaltlichen Ebene Verständigungsprobleme bereiten.
– Die Sichtbarkeit des Kunstwerks im Raum kann das potenzielle Risiko reduzieren und manchen Unfall verhindern. Die Künstler*in sollte optisch überprüfen, wie überschaubar der Ausstellungsraum ist. Durch Unaufmerksamkeit und Unsichtbarkeit kann schnell ein unerwarteter Unfall passieren. Wenn der Organisator oder der Raum Voraussetzungen oder Verbot für Ausstellungspräsentation hinweist, sollte man das berücksichtigen. Handelt es sich um eine besonders individuelle Ausstellungsinstallation sollte man vor der Ausstellung gemeinsam besprechen, wer welches Risiko übernimmt.
• Wer ist das Publikum, wer sind die Besucher?
Kunstinteressierte Personen halten oft von sich aus einen gewissen Abstand zum Ausstellungsstück. Wenn ein zufälliges Publikum zu erwarten ist, sollten gut sichtbare und verständliche Hinweise angebracht werden und entsprechend geschultes Aufsichtspersonal zum Einsatz kommen.

• Wieviel Publikum wird erwartet?
Die Zugänglichkeit der Ausstellungsort spielt eine Rolle, um den potenziellen Risikograd einzuschätzen. Wird die Besucherzahl kontrolliert, z. B. durch Eintrittskarten oder eine andere Kontrolle am Empfang, wird das Gepäck abgegeben? Oder ermöglicht der Raum eine völlig freie Begegnung mit der Kunst? Durch Vernissage, Finissage und zusätzliche Veranstaltungen wie Musikabend oder Lesung als Zwischenprogramm kann sich temporär eine konzentrierte Besucherdichte im Raum ergeben. Wenn eine solche Dynamik in unmittelbarer Nähe zu einem Ausstellungsstück vorhersehbar ist, sollte man vorher mit Veranstalter besprechen, ob eine temporäre Maßnahme (Verschiebung, Aufsicht etc.) notwendig ist.

Der Austellungsvertrag

Die Kunstversicherungsbedingungen zwischen Künstler*in (Verleiher*in) und Ausstellungs-träger*in (Entleiher*in) müssen im Leih- oder Ausstellungsvertrag geklärt sein und schriftlich vereinbart werden. Unter anderem gibt es folgende Punkte zu beachten:

• Wer versichert die Kunstwerke?
In den Ausstellungsbedingungen oder im Vertrag steht diese essenzielle Antwort. Es gibt folgende Möglichkeiten: Veranstaltungsinstitution oder Ausstellungsveranstalter*in/Konzeptträger*in oder Aussteller*in (d. h. der*die Künstler*in selbst). Wenn die Künstler*in alleine für das ganze Risiko haften soll, sollte er*sie sich wirklich überlegen, ob die Teilnahme überhaupt sinnvoll ist. Eigentlich sollte die Künstler*in in diesem Fall eine Teilnahme ablehnen.

• Was wird versichert?
Werkschaden, Verlust, Transportschaden, Reparatur etc.

• Welcher Zeitraum ist versichert?
Von wann bis wann das eigene Kunstwerk versichert wird, ist für den/die Künstler*in wichtig, auch um sich entsprechend vorzubereiten.
„Von Nagel zu Nagel“ bedeutet: ab dem Punkt, an dem dein Kunstwerk dein Atelier (oder den vorherigen Ausstellungsort) verlassen hat, bis zum geplanten Ausstellungsort, für die Ausstellungsdauer und auch für den Rücktransport versichert ist. Häufig ist aber ein Kunstwerk nur für einen begrenzten Zeitraum versichert, z. B. während der Leihe (inklusiv Lager/Aufbau/Abbau) oder der Ausstellungszeit.

* Wenn eine Sondervereinbarung über Ausstellungsbedingungen zusätzlich zum Vertrag notwendig ist, ist es nützlich, ein Sonderblatt vorzubereiten, um die zusätzlichen Bedingungen für beide Parteien schriftlich festzuhalten. Das hilft später im wirklichen Versicherungsfall, vermeidet Streit, und man kann sich leichter verständigen, wer welche Verantwortung übernommen hat.

* Achtung:
– Vollständige und korrekte Datenangabe im Ausstellungs-/Leih-Vertrag eingetragen.
– Wenn du einen Künstlername hast, unbedingt den echten Name auch mit angeben.
– Bei der Werkangabe ist es auch für Versicherungsabwicklungsphase wichtig, dass Maße, Gewicht, Material, sowie Edition und Versicherungswert richtig eingetragen sind. Unstimmigkeiten zwischen Daten und dem wirklichen Gegenstand kann später bei der Prüfung eines Versicherungsfalles schnell zu Misserfolg führen.

* Ausschlüsse: Abnutzung, innerer Verderb, Beschädigung durch Reinigung und Restaurierung, kriegerische Handlungen und Schäden durch Atomenergie.

Vorbereitung: Sichere Verpackung

Als Künstler*in ist es in der eigenen Verantwortung und die Aufgabe, einen sicheren Transport zu gewährleisten, weil die Gefahr eines Schadens beim Transport ziemlich hoch ist. Sowie jede*r ein ganz individuelles Kunstwerk schafft, braucht es möglicherweise auch eine individuelle sichere Verpackungslösung. Ob der Gegenstand flach oder plastisch ist, ob ein oder mehrere Bestandteile versendet werden, ob das Material robust, fragil oder feuchtigkeitsempfindlich ist, sind beispielsweise entscheidende Fragen. Kantenschutz, entsprechende Polsterung, Trockenmittel können Abhilfe schaffen, Fixierungen gegen das Schwanken beim Transport, eine möglichst komfortable und sichere Handhabung (Handgriff, Gewicht und Volumen etc.) sind zu berücksichtigen. Egal, ob die Transportverpackung aus Karton oder aus Holz besteht, die Transportkiste muss stabil, gleichzeitig tragbar und für Rücktransport wiederverwendbar sein. Denk daran, dass dein Werk so verpackt ist, dass auch Fremde es in die Hand nehmen können! Es ist auch wichtig, dass die für Auf-/Abbau zuständige Leute beim Auspacken und wieder Verpacken das System sehen und verstehen können. Was für dich selbstverständlich ist, erklärt sich nicht unbedingt für andere. Wichtige Dokumente in die Kiste beifügen, sowie Lieferschein, Inhaltsverzeichnis mit Bilder, evtl. für aufwändige Installation eine Erläuterung zum Aufbau und ggf. Verpacken.
Durch extra Hinweise / Aufkleber / Tape wie „Fragile“, „Handle with Care“ macht die Kiste auf sich aufmerksam. Die Beschriftung Absender, Empfänger, Kontaktperson, Telefonnummer ist ebenfalls gut sichtbar und lesbar anzubringen, für einen Auslandstransport sind möglicherweise weitere Dokumente für die Zollkontrolle nötig.

Wähle eine vertrauenswürdige Transportmöglichkeit und organisiere Auf-/Abbau
Oft muss der*die Künstler*in den Hintransport der Kunstwerke eigenverantwortlich arrangieren. Nach der sicheren Verpackung überlege, wie das Werk zum Ausstellungsort transportiert werden kann. Am sichersten ist der Selbsttransport oder die vom Organisator koordinierte Abholung bzw. Transportkooperation mit Kollegin*nen.
Wenn dies nicht möglich ist, lass dich gut informieren, welcher Kurierservice einen sicheren Transport für das Werk leisten kann. Dabei sollten die Bedingungen und Versicherung zur Versandware, Möglichkeit der Sendungsverfolgung, Abholdienst und Wunschtermin, und natürlich Kosten abgewägt werden.
Auch wer das Kunstwerk an die Wand bringt oder aufbaut, ist wichtig zu organisieren. Wenn Auf-/Abbau nicht selbst und auch nicht von einer vertrauenswürdigen Kunstkolleg*in übernommen werden kann, und wenn noch dazu die Installation kompliziert ist, soll dies aktuell mit der Ausstellungskontaktperson besprochen werden. Bitte sie, eine*n geübte*n Mitarbeiter*in einzusetzen, auf keinen Fall jemanden wie eine unerfahrene Praktikant*in.

Versicherungsabwicklung

Trotz aller guten Vorbereitung kann unerwartet ein Sachschaden, Diebstahl, Verlust oder auch Unfall eintreten.
Wenn irgendwas passiert, muss man schnell und sachlich reagieren. Falls der*die Künstler*in im Schadensmoment vor Ort anwesend ist, muss er*sie ein detailliertes Schadensprotokoll erstellen, andernfalls ist es Aufgabe der Veranstalter*in. Bei Diebstahl muss man die Polizei informieren und um eine Protokollkopie als Nachweis bitten. Wenn es eine*n Zeug*in vor Ort gibt, dann bittet um eine Sachbeschreibung – was ist passoert / wie ist es passiert? und eine Kontaktadresse. Vergiss dabei nicht seine/ihre Unterschrift mit Datum/Zeit.
Neben dem Protokoll ist auch der Fotobeweis ein sehr wichtiger Bestandteil für die Versicherungsabwicklung. Fotografiere deshalb die beschädigten Sachen und den Schadensort.

* Tipp: Es ist zu empfehlen, nach dem Aufbau immer das Ausstellungsstück oder die gesamte Installation im Raum einfach fotografisch festzuhalten. Somit hat man vergleichbare Bildbeweise für Versicherer, im Fall des Schadens, auch von der Änderung, die dadurch entstanden ist.

* Der zuständige Versicherer ist baldmöglichst zu informieren. Der Versicherer wird nun die Fakten sowie Versicherungsprämie überprüfen.

* Wichtig:
Beschädigte Teile sind so lange aufzubewahren, bzw. das Schadensbild ist unverändert zu lassen, bis der Versicherer den Schaden abgerechnet hat.
Beschädigte Objekten müssen evtl. von Experten geprüft werden. Das Interesse des Versicherers ist zu erfahren, ob es sich um einen kompletten Schaden handelt oder um einen Teilschaden, der durch eine Reparatur oder einen Ersatz möglich ist. Sowohl das Gutachten und seine Wertermittlung als auch die Sachprüfung durch den Versicherer beeinflussen die Versicherungserstattung.

Je nach der Regelung im Ausstellungsvertrag kommuniziert man mit Veranstalter und Versicherer. Es gibt sehr individuelle Schadensfälle, die durch unterschiedliche Ursache oder Anlass entstanden sind. Man muss verschiedene Faktoren berücksichtigen, auch möglicherweise Mängel auf der Künstler*innenseite. Es ist oft nicht einfach, den kompletten Versicherungswert erstattet zu bekommen. Die beste Kunstversicherung ist eigentlich, dass die Künstler*in für das eigene Kunstwerk möglichst alle potenziellen Risiken auszuräumen, damit überhaupt kein Schadensfall eintritt.