Fragestunde Recht und Ökonomie III.

zur Übersicht: Fragestunde Recht und Ökonomie

 

I. Künstlerleben – Welche Perspektive eröffnet meine Kunst?

II. Kunstschaffen – Welchen Grenzen begegnet meine Kunst?

 

III. Kunstwerte – Welchen Preis hat meine Kunst?

Was kostet mich mein Kunstschaffen?

Wo und wie stehe ich im Kunstbetrieb?

Welche Faktoren bestimmen den Preis im Kunstmarktgeschehen?

 

IV. Kunstmärkte – Wer platziert meine Kunst?

 

Was kostet mich mein Kunstschaffen?

So erstaunlich es scheinen mag, während nahezu jeder Fabrikant als Tätiger im produzierenden Gewerbe relativ genau die konkreten Stückkosten eines jedem von ihm zu verantwortenden Produktes benennen kann, zeigt langjährige beratende Betätigung im Kunstsektor, dass die wenigsten Künstlerinnen und Künstler hier mit konkreten, ja auch nur mit im Entferntesten aussagekräftigen Werten aufwarten können. Wie will ich denn als Künstlerin/Künstler meinen Lebensunterhalt durch Kunstverkäufe sichern, wenn noch nicht einmal ich selbst weiß, was mich das Kunstschaffen tatsächlich kostet, oder anders ausgedrückt, ich brauche für Verhandlungen mit Galeristen, Interessenten, Sammlern etwas wie eine persönliche „Basisgröße“, an denen ich an mich herangetragene Angebote messen und bewerten kann.

Machen wir uns also auf die Suche nach einer ebensolchen Basisgröße. Was kann ein Grundpreis für meine Kunst sein, wie setzt sich dieser zusammen – und vor allem, wie ist er praktisch zu ermitteln? Bei der Berechnung gilt es dabei etwa die Materialkosten für jedes Kunstwerk unmittelbar und die sonstigen Kosten zumindest anteilig bezogen auf die beispielsweise in einem Monat geschaffenen Werke zu ermitteln, der so bestimmte Wert ist dann mit einem individuellen Aufschlag zu versehen, zum einen um auch einen angemessenen Arbeitslohn zu berücksichtigen, das heißt ein Äquivalent zu beziffern zur aufgebrachten Zeit des Werkschaffens, zum anderen aber tatsächlich entstehende Lebenshaltungskosten gedanklich einzubeziehen, dies durchaus abhängig von den persönlichen Lebensumständen. Lässt sich auf vorgenannte Weise dann ein einigermaßen aussagekräftiger Nettowert ermitteln, der zugleich einen angemessenen, das eigene Künstlerleben finanzierenden und insoweit anzustrebenden Erlös pro Werk der Höhe nach klar umreißt, ist dieser abschließend nur noch um die gesetzliche Umsatzsteuer von momentan regelmäßig 7 % bei Werken der bildenden Kunst zu erhöhen, und aus all dem ergibt dann etwas wie den Grundpreis eines Werkes ab Atelier.

Grundpreis Werk ab Atelier

  1. Materialkosten, unmittelbarLeinwand, Farben, Pigmente, Grundier- und Bindemittel, Gips, Filz, Ton, Firniss, Kreiden, Aquarellfarben…
  2. Kosten für Produktionsmittel, Gerätschaften (auch anteilig)Pinsel, Spachtel, Walzen, Messer, Schlageisen, Feilen, Raspeln, Handrutscher, Staffeleien, Druckpressen…
  3. Kosten für Produktionsort, „Ort schöpferischen Wirkens“, anteiligAteliermiete + Nebenkosten (Wasser, Strom, Heizung), Versicherungen, Abfallentsorgung
  4. Kosten Marketing/ Werbung, anteiligVisitenkarten, Prospekte, Werkbeispiele (Katalog im Eigenverlag/ Kopiershop), Programmierung/Gestaltung/Pflege der Webseite…
  5. Arbeitskosten, individuell
  6. Ggf. Aufschlag Galeristenprovision, entsprechend individueller Vereinbarung.
  7. Aufschlag Umsatzsteuer in gesetzlich festgelegter Höhe

Soweit sich die ein oder andere Künstlerin, der ein oder andere Künstler nun angesprochen fühlt und noch nicht im Detail Werte für das eigene Schaffen ermittelt hat, sei durchaus ermutigt, sich tatsächlich einmal die Zeit zu nehmen für den Versuch, etwa auf Basis der Daten der letzten sechs Monate, eine entsprechende persönliche Bilanz aufzustellen – so ernüchternd das Ergebnis möglicherweise auch ausfallen wird.

Der „Lohn“ der mit der Zusammenstellung verbundenen Mühen ist die Erarbeitung des persönlichen Sollwertes, den es hernach am Markte zu realisieren gilt. Dabei steht außer Frage, dass zwischen Soll- und Istwerten im Kunstmarktgeschehen häufig eine überaus große Diskrepanz herrscht. Wer aber andererseits die Kostenseite des eigenen Wirkens nicht fest im Blick hat, lässt sich –so zeigen sich unsere Beobachtungen- leichter am Markte mit unbefriedigendem Lohne für das eigene Schaffen abspeisen – ein Umstand, der dauerhaft kaum hinnehmbar scheint und der Rolle, den Lebensunterhalt zu sichern in keiner Weise gerecht wird.

Wo und wie stehe ich im Kunstbetrieb?

Es bedarf dabei in der Tat regelmäßig einer Strategie, um einen persönlichen Sollwert zu einem Ist-Wert werden zu lassen oder zumindest die Chancen auf eine solche Balance deutlich zu erhöhen. Und neben den rein finanziellen Erwägungen rücken damit Gegebenheiten und Mechanismen des eigentlichen Kunstmarktes in den Mittelpunkt dieser Betrachtung. Es wird nun darum gehen müssen, sich zunächst einmal unverstellte Klarheit über die eigene Position im Kunstmarktgeschehen zu verschaffen, um hieraus Rückschlüsse auf die Spannbreite individueller Preisgestaltung, fundiert ziehen zu können- dies unter Berücksichtigung eines konkret anvisierten Marktes.

Die Selbstverortung.

Der Preis für ein Produkt richtet sich im Markte regelmäßig nach Angebot und Nachfrage, für den Kunstmarkt gilt freilich nichts anderes. Ein Zusammenhang scheint aber besonders augenfällig:

Je stärker die Nachfrage für die Werke eines Künstlers, desto höher der Preis.

Nach Karl Marx ist der Preis dabei allein Geldausdruck einer Wertgröße, also etwas wie der Index eines Marktwertes, wobei dieser keineswegs verwechselt werden darf mit dem (Symbol-) Wert eines Kunstwerkes, dies sei nur am Rande angemerkt. Zwischen einem festgelegten Preis und der erzielten Nachfrage stehen aber möglicher Weise auch unmittelbarere Zusammenhänge. Wie sehe ich mich als Künstlerin/Künstler, wie sehen andere mich und vor allem mein Werk, wo genau bin ich einzuordnen, in den „Markt der Kunst“, so es diesen überhaupt gibt in dieser allgemeinen Form?

Was nun gefragt ist, ist mithin eine fundierte Standortbestimmung des eigenen künstlerischen Seins, kurz es geht um die Leitfrage: Wo stehe ich mit meiner Kunst im regionalen, nationalen, internationalen Kunstmarktgeschehen?

Standortbestimmung*

  1. Wer konnte sich bisher für meine Kunst begeistern?
  2. Welche Preise konnte ich in der Vergangenheit für meine Arbeiten erzielen?
  3. Wie stehe ich im Vergleich zu ähnlich arbeitenden Kollegen, wie zu den lokalen, nationalen Größen da?
  4. Was unterscheidet mich und meine Arbeit von denen und deren Wirken?
  5. Wo gibt es Unterschiede, in welcher Hinsicht aber auch Gemeinsamkeiten in der Vermarktung, in der Ausbildung, im Ausstellungswesen, in der Marktpräsenz?* Hier ist unbedingte EHRLICHKEIT gegenüber der eigenen Arbeit gefragt!

Auch im Kunstmarkt gibt es freilich eine Vielzahl von Faktoren, die die Nachfrage maßgeblich bestimmen und/oder diese nachhaltig zu erhöhen geeignet scheinen. Eine Grundannahme, die bei allen Überlegungen im Hintergrund stets mitschwingen sollte, ist jene, dass sich die Nachfrager von Kunst überwiegend gern „in guter Gesellschaft“ mit anderen wieder sehen wollen, die Risikofreude nimmt sich demzufolge bei den meisten doch eher bescheiden aus. Doch was bedeutet dies nun für die Künstlerin, für den Künstler und die eigene Position. Bei der nachfolgenden Betrachtung sollen so genannte Wertbildende Faktoren einmal näher reflektiert werden, grob unterschieden wird dabei zwischen Faktoren, die subjektiv beeinflussbar sind, und solchen, auf die der Einzelne nicht oder nur bedingt durch sein Tun Einfluss nehmen kann. Hier beispielhaft einige Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Subjektiv beeinflussbare Faktoren:

  1. Zugang zum Beruf Künstler an sich nicht geregelt, aber: Ausbildung und Qualifikation, Fachkenntniserwerb, insbesondere technische Fertigkeiten, darüber hinaus aber auch die Umsetzung des künstlerischen Impetus in eine Form, Finden einer individuellen Formensprache und Ausdifferenzierung fern von Nachahmung und Adaption; zentral insbesondere in Deutschland nach wie vor: Abschluss an einer (möglichst renommierten) Kunsthochschule; (Bsp.: Lehrer/Klasse/ Meisterschüler „Büttnerschüler“, „Klasse Becher“)
  2. Wenn dies nicht dann zumindest Nachweise von Qualifikation durch Schulenzugehörigkeit, Freie Akademien, Sommerkurse
  3. Am Rande: Sujet-/Motivwahl: Blumen gehen immer, Fische oder Schweineköpfe eher nicht…
  4. Sicherstellung des roten Fadens durch das eigene Werk, d.h. nicht frei jeglicher Brüche, aber zielorientiert, haltungsbestimmt, geprägt vom Blick auf die Welt und der eigenen Verortung in derselben

Subjektiv in gewissem Umfang beeinflussbare Faktoren:

  1. Finden von Fürsprechern und Verkäufern durch Überzeugung, von dem eigenen Schaffen
  2. Wahrnehmbarkeit durch Ausstellungen wie Ausstellungsbeteiligungen, entscheidend hier der Ort der Präsentation, Kneipen, Cafes gehen gar nicht, ist ein Trugschluss, alles zu seiner Zeit, auch Blinky Palermo, Gerhard Richter haben Arbeiten für Bars und Cafes angefertigt, allerdings vornehmlich in den Studienjahren…
  3. Regelmäßige Dokumentation Werkfortschritt durch Kataloge/Leporello

Subjektiv kaum beeinflussbare Faktoren:

  1. Rezeptionen, Besprechungen von Ausstellungen, Watchlists moderner Kunstzeitungen; Wahrnehmung durch Kunstkritik
  2. Zuerkennung von Preisen und Stipendien /Juryauswahl als Qualitätskriterium
  3. Einzel- und Gruppenausstellungen in renommierten Ausstellungsräumen und –häusern.
  4. Sammlungsankäufe

Gerade in der Abgrenzung zu den Mitstreitern im Marktgeschehen kann insbesondere auch die Klassifizierung von individuellen Handlungsräumen in insbesondere geographischer Hinsicht überaus hilfreich sein, die durchaus Spielraum lässt und Optionen persönlicher Zufriedenheit erhöht: Wo ist denn eigentlich mein Markt? Der regionale, nationale oder gar internationale Kunstmarkt?

Hier gilt: Ein persönliches Auskommen in finanzieller Hinsicht zu finden, ist in allen drei Märkten durchaus denkbar.

Welche Faktoren bestimmen den Preis im Kunstmarktgeschehen (- und was ist der rechte Preis für mein Werk)?

Mit der Ermittlung des individuellen Grundpreises wie der individuellen Verortung im Kunstmarktgeschehen ist ein tragfähiges, gedankliches Fundament erarbeitet worden, auf dem in einem nächsten Schritt die persönliche Vermarktungsstrategie aufbauen sollte. Bevor wir uns nun diesen individuellen strategischen Überlegungen widmen können, kann möglicher Weise überaus hilfreich sein ein Blick auf das Handeln derer, die Tag für Tag mit atelierfrischen Kunstwerken handeln. Nicht von ungefähr kommt der Preisgestaltung durch Galeristinnen und Galeristen im Kunstmarkt oftmals die entscheidende (Erst-) Bedeutung zu.

Grundsätzliche Spielregeln:

  1. Preise für Werke eines Künstlers fallen nie.
  2. Es gibt keine Sonderangebote und keine 99 Euro Preise.
  3. Werke werden nie unmittelbar mit Preisschild versehen.
  4. Werke desselben Künstlers haben bei gleicher Größe den gleichen Preis, unabhängig von der Qualität (und der Nachfrage nach) der Arbeitzentral: Sorgsamer Aufbau der Karriere einer Künstlerin/ eines Künstlers im Zeitenlauf.

Seit den Impressionisten und dem Pariser Galeriegeschehen des vergangenen Jahrhunderts hat sich am Kunstmarkt für den Bereich der Malerei ein Berechnungsmodell etabliert, welches überaus geschickt Kostenäquivalenz herstellt und allein schon dafür einen näheren Blick verdient:

Höhe plus Breite (je in cm) x persönlichen Multiplikator gleich Verkaufspreis.

Zur Illustration eine Beispielrechnung:

Papierarbeit eines Künstlers Din A 4: 21+29 x Faktor 7 = 350,– Euro

Gleicher Künstler Tafelbild/Öl auf LW 20+30 x Faktor 17 = 850,– Euro

Spannend wird die Betrachtung, wenn die Seitenlänge der LW jeweils verdoppelt wird:

Format Tafelbild/Öl auf LW         40+60 x Faktor 17=1700,– Euro

Dies zeigt, für den Preis sind die Längenverhältnisse entscheidend, nicht die Flächenverhältnisse, also wird der

Preis verdoppelt bei vervierfachter Fläche des Bildes, in der Folge

erscheint ein kleines Bild unverhältnismäßig teuer, dies besonders augenscheinlich, wenn die Bilder nebeneinander hängen.

Dennoch ist der Vorteil nicht von der hand zu weisen: Ähnliche Fixkosten werden gleichermaßen im Preis abgebildet, wirken sich in kleineren Werken aber stärker aus. Da insbesondere Großformate nun aber für nur wenige Sammler/ Käufer in Betracht kommen, die nämlich entsprechenden Raum vorhalten können, die Nachfrage nach kleineren und insbesondere mittelgroßen Werken damit ungleich höher ist, wirkt sich dies bei sachgerechter Preisstruktur nicht negativ auf das Einkommen der Künstlerin, des Künstlers aus.

Die Qualität einer Arbeit spiegelt sich übrigens regelmäßig nicht im Preis wieder, die Entscheidung wird dem markte überlassen, oftmals auch erst dem Sekundärmarkt im Wiederverkaufsfalle oder dem Auktionsgeschehen.

Wie die Beispielrechnung zeigt, kommt neben der linearen Kostenverteilung insbesondere dem persönlichen Multiplikator („Faktor“) eine besondere Bedeutung zu. Dieser ist nirgendwo fixiert, sondern ergibt sich fließend aus Künstlervita (Ausbildung/Preise/Stipendien etc.), der Verortung innerhalb eines Galeriesystems („Künstlerin/Künstler der Galerie“/“Junge Kunst“), des definierten Kunstmarktes, der konkreten Nachfrage am Markt und ähnlichem. Der Wert verändert sich günstigen falls im Zeitenlauf, wobei es dabei keine unmittelbare Kopplung an den Sekundärmarkt gibt, Auktionsergebnisse etc. erfahren allenfalls eine mittelbare Einbeziehung.

Die Verwendung eines solchen Faktors bzw. derer mehrerer ermöglicht elegant preisliche Differenzierungen innerhalb des künstlerischen Werkschaffens und erhöht durch die klare Struktur die Transparenz in der Preisgestaltung. Klarheit und Transparenz schaffen neben der Verwirklichung hoher künstlerischer Qualitätsstandards jene „Glaubwürdigkeit“, ja die Vertrauensbasis, die unverzichtbar ist, sollen ernstzunehmende Kunstkäufer und Sammler meine Werke ankaufen.

Zum Abschluss noch eines, ist eine Preislinie gefunden, sollte diese auch beibehalten werden, unabhängig davon, wo die Bilder verkauft werden. Rabatte sind freilich denkbar, sollten aber eher restriktiv gehandhabt werden. Will ich als Künstlerin oder Künstler Interessierten preiswertere Optionen für einen Erwerb meiner Kunst bieten, ist die Herausgabe von Editionen (in überschaubarer Auflage!) oftmals ein probater und –vor allem- systemkonformer Weg in dem gefundenen Preisgefüge.

Checkliste: Wie komme ich selbst zu einem akzeptablen Preis für mein Werk?

  1. Wertbestimmung unter produktions-ökonomischen Gesichtspunkten, kostenorientiert. Grundwert als erster Anhalt.
  2. Verortung des eigenen Werkes im vor allem regionalen/nationalen Kunstmarktgeschehen: Welche Preise konnte ich bisher für meine Arbeiten erzielen? Wie stehe ich im Vergleich zu ähnlich arbeitenden Kollegen, wie zu den lokalen, nationalen Größen dar, was unterscheidet mich und meine Arbeit von denen und deren Wirken? Hier ist EHRLICHKEIT gegenüber der eigenen Arbeit gefragt!!!!
  3. Festlegung einer persönlichen Bemessungsgröße wie Berechnungsform.
  4. Konsequente Umsetzung und Promotion. Entwicklung einer persönlichen Glaubwürdigkeitsstrategie.
  5. Verknappung steigert tendenziell Nachfrage. Der Kampf ums Unikat.
  6. Option der Edition, differenzierte Preisgestaltung.

(ck2010)