Zum Tod von Petra Warrass

Ein Nachruf

Nicht vielen Künstler*innen gelingt es, die verborgene Psychologie und Lebenswirklichkeit von Menschen mit der Kamera auszuleuchten und spürbar werden zu lassen, selbst wenn keine Figuren auf ihren Fotografien auftauchen. Petra Warrass zählte zweifellos dazu. Mit außerordentlicher Hingabe an das Motiv und hohen bildtechnischen Selbstansprüchen in Fotografie und Film gelang es ihr, Personen, Räume oder deren Details einfühlsam in Szene zu setzen und den medialen Verflachungen der Gattung entgegenzutreten.

Im rheinland-pfälzischen Birkenfeld geboren, studierte Warrass Fotografie in Dortmund, Amsterdam und an der HGB Leipzig bei Joachim Brohm, als dessen Meisterschülerin sie 2002 abschloss. Zahlreiche Förderungen und Stipendien führten Sie zu Arbeitsaufenthalten nach Frankreich, Kroatien, die Niederlande und nach China, begleitet von künstlerischen Lehraufträgen in Wuppertal, Dortmund, Saarbrücken und Koblenz. Obwohl sie seit vielen Jahren in Düsseldorf lebte, blieben die engen Verbindungen zum Bundesland ihrer Herkunft bestehen, insbesondere durch ihre Residenz am internationalen Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems oder die aktive Mitwirkung am Mentoring-Programm für bildende Künstlerinnen in Mainz. Dort lernte sie auch ihre Künstlerkollegin Julia Wenz kennen, mit der sie später das partizipativ agierende Künstlerduo wenz´n warrass gründete und gemeinsam auf der ersten Landeskunstschau „Flux4Art“ im Museum Boppard 2018 ausstellte.

Es ist häufig eine ambivalente, teils abgründige Wirklichkeit, die hinter ihren Fotografien und Filmen lauerte. Der Spiegel, den Warrass der Welt vorhielt oder in dem sich ihre Porträtierten betrachteten, war buchstäblich auf Aspekte der Selbstentlarvung und des Befremdlichen gerichtet: „Wir sind die anderen“.
Bereits von ihrem Stipendiumsaufenthalt 2004 an der Cité Internationale des arts brachte sie den verstörenden Kurzfilm „Les Joueurs“ mit, eine real beobachtete Szene zweier mit Spielzeugwaffen wild aufeinander schießender Kinder, die heute im Alter der Attentäter von Paris sein könnten. Und ihre 2013 entstandene schwarzweiß fotografierte Bildserie von Interieurdetails mit dem Titel „Stay Home“ nimmt sich heute beinahe wie eine Antizipation des Corona-Lockdowns von 2020 aus.

Nun ist Petra Warrass im Alter von 50 Jahren nach schwerer Krankheit in Düsseldorf gestorben.

Justus Jonas, Mainz